Wir kommen wieder, am frühen Morgen. Unter den flatternden Hemden hocken Männer in Unterhosen und putzen sich die Zähne. Sie sehen kurz verwundert hoch und putzen weiter. Auf eine Art, scheint es, gewöhnen sie sich an unsere Anwesenheit ohne sie im Geringsten zu verstehen. Von drinnen dringen Geräusche von Toilettenwasser und von Ausgespucktem, verklebter Staub täglicher Arbeit aus den Eingeweiden eines Körpers. Wir warten draussen auf Xilong, scheuen die Intimität der Männer am Morgen. Xilong kommt aus dem dunklen Raum, einen Freund an der Seite, gibt uns ein Zeichen ihm zu folgen. Er kauft ein weisses teigiges Bällchen in einer Plastiktüte für mich und sich. Die Verkäuferin sieht mich an, dann ihn, lächelt wie eine wissende Tante zu Xilong der sie nicht beachtet. Continue Reading →
Geschichten
SHANGHAI: XILONG PART 1
Es ist Nacht. Wir gehen über eine Brücke. Wir sehen über das Geländer. Unten, neben dem Fluss, ist eine schwacher Lichtstrahl und wir erkennen Kleider an einer Leine. Wir gehen die Treppen hinunter. Unter der Brücke ist ein Gewölbe. Aus dem Gewölbe kommt blaues Licht, wir sehen Betten. Auf den Betten liegen Männer und rauchen. Es sind etwa 50 Stockbetten aus Metall. Die Männer entdecken uns und schauen neugierig hinaus. Manche tragen nur Unterhosen. Lungern auf den Betten, ziehen an ihren Zigaretten, tippen in ihre Handys, streichen sich über ihre nackten Bäuche. Wir bleiben am Rand des Raumes stehen. Ich frage mit Gesten nach einer Zigarette. Sie geben mir die Zigarette, lachen. Continue Reading →
SAO PAULO: SIMONE PART TWO
Simone mit ihren engen Bodys, ihren schmalen Hüften, ihrem strengen schwarzen Pferdeschwanz, ihren 3 Kindern, ihrem warmen Lachen, ihren etwas schiefen Zähnen, ihrer zigarettenzerbörselten Stimme, ihren Schuldgefühlen. Simones Mann starb an Drogen, fast alle ihrer Brüder sind im Gefängnis oder frequentieren es zumindest. Simone bekennt in einem, wie ich finde immer noch rätselhaften Interview, dass sie sich schuldig fühlt an den Toden um sie herum. Als brächte ihre reine Anwesenheit Tod. Continue Reading →
SAO PAULO: SIMONE PART ONE
Wir finden auf unsere Art eine zufällige Protagonistin deren Geschichte so film-attraktiv ist, dass sie im Grunde unsere Rahmen sprengt, der hinter keinen besonderen Biographien her ist, sondern im Gegenteil, beliebigen Begegnungen hinterherrennt um umfassendere Tendenzen zu stalken. Continue Reading →
SAO PAULO
Anders als in Moskau und Mumbai, in der wir der existentiellen Angst der Bewohner begegnen aber kaum der unseren, wird sie uns in Sao Paulo mit jedem Schritt hinaus begleiten, auf eine kalte Art, die uns immer ein wenig lächerlich erscheinen lässt. Wir versuchen unser Risiko einzudämmen, wenn wir Fremden folgen, wenn wir mit unserer Kamera durch unbekannte Strassenzüge irren. Continue Reading →